Es begann mal wieder sehr erstaunlich. Der SPIEGEL beschreibt es so:
Die SPD macht einen Vorschlag, den die CDU so gut findet, dass sie ihn am besten sofort umsetzen will – das hat Seltenheitswert im politischen Berlin. Dass dergleichen auch noch in der Gesundheitspolitik geschieht, in der alles immer Streit auslöst – eigentlich undenkbar. Jetzt aber geht es um Homöopathie. Und da scheinen sich die Experten der großen Parteien plötzlich einig zu sein.
Und schon wird das alte Streitthema „Homöopathie“ wieder hervorgeholt. Die Diskussion um dieses Thema ist ganz klar eine Glaubensdiskussion. Homöopathie ist schlicht „der David Copperfield der Medizin“ (wie Teo-Net titelt). Ein wissenschaftlicher Nachweis dafür, dass sich in den Globoli ein wirksamer, über den Placebo-Effekt hinausgehender Bestandteil befindet, fehlt. Sehr schön in diesem Zusammenhang zu lesen ist Homöopathie vs. Wissenschaft – eine Metapher (via cimddwc) bzw. Homöopathen unter sich – Ein Kongressbericht (via cimddwc).
Klar, dass das Thema auch in der Blogosphäre heiß diskutiert wird. Die ganze Bandbreite von unqualifizierten Artikeln in unbedeutenden Blogs (vgl. z. B. Naty’s Blog) bis hin zu „Top-Bloggern“ wie Don Dahlmann und Johnny Haeusler ist abgedeckt. Letzterer bezieht allerdings für seine Meinungsäußerung umgehend verbale Prügel, und zwar bei Gedankenstücke, Schockwellenreiter, ennomane und EsoWatch.
Aber nicht nur Blogger setzen sich in die Nesseln. Auch Renate Künast (2001 bis 2005 habe ich mich gefragt: Wer schützt eigentlich die Verbraucher vor der Verbraucherschutzministerin?) tut sich abermals mit Unkenntnis hervor:
Fraktionschefin Renate Künast sagte der „Berliner Zeitung“: „Die pauschale Kritik an der Homöopathie verkennt, dass selbst die Schulmedizin in vielen Fällen auf die industrielle Nachahmung von Heilmitteln zurückgreift, die es in der Natur kostenlos gibt.“ Die Kosten für Homöopathie stünden in keinem Verhältnis zu den gigantischen Summen, die für Schulmedizin ausgegeben würden.
Lassen wir gwup | die skeptiker antworten:
Erstens zeigt die ehemalige Verbraucherschutzministerin damit, dass sie den Unterschied zwischen Homöopathie und Naturmedizin offensichtlich nicht kennt (die Homöopathie ist kein Naturheilverfahren!). Zu ihrer Verteidigung muss mal wohl erwähnen, dass sich Künast damit einreiht in die lange Reihe von Volksvertretern, die durch Grußworte und Schirmherrschaften für Homöopathie-Veranstaltungen negativ aufgefallen sind.
Zweitens lenkt sie von den Gründen ab, derentwegen eine Streichung der Erstattungsfähigkeit gefordert werden. Mal abgesehen von den Gewinnspannen bei gut eingeführten Homöopathika, – bei der Herstellung wird eine Ursubstanz bis zum Nichtmehrvorhandensein verdünnt, man macht also buchstäblich mit Nichts Geld (im Gegensatz zu den oft horrenden Entwicklungskosten von Medikamenten der evidenzbasierten Medizin), – wird mit der Argumentation, dass ein unwirksames Präparat ruhig erstattet werden sollte, weil andere Medikamente viel mehr kosten, der Verschwendung von öffentlichen Geldern Tür und Tor geöffnet.
Andersrum gefragt:
Sollten die Kassen ein wirksames Krebsmedikament, ein teures Hörgerät, eine künstliche Hüfte deshalb nicht erstatten, nur weil die Vertreter irgendeiner “alternativen”, in Tests gescheiterten Heilmethode behaupten, sie könnten viel günstigere Behandlungen anbieten?
Oder sollte nicht vielmehr die Wirksamkeit über die Erstattungsfähigkeit entscheiden?
Gute Frage!
Bleibt zum Schluss nur noch auf eine gute Artikelserie bei Piratenleben (Teil I, II, III, IV – via Sikks Weblog) hinzuweisen.
16. Juli 2010 um 01:09 Uhr
Da haben wohl Berater den Politikern einen Tipp gegeben, mit welchem Thema sich am besten vom Versagen der Gesundheitspolitik ablenken lässt?
16. Juli 2010 um 23:40 Uhr
Wie hat so schön der Spreeblick darüber geschrieben, das ganze Thema ist ein PlaceboThema :))