Das Klavier und ich: eine Hassliebe. Immer zwischen den Polen „notwendiges Übel“ und „große Liebe“. Und eine Begebenheit aus meinem Leben, die nun etwa zwölfeinhalb Jahre zurückliegt, verdeutlicht dieses gespaltene Verhältnis:

Am Ende meines zehnten Semesters im Studium der Schulmusik, kurz vor der Abschlussprüfung sollte ich nun auch endlich einmal auf meinem Hauptfachinstrument Klavier in einem Vortragsabend spielen, und es sollte nichts geringeres sein als die drei Cappricci aus den Fantasien op. 116 von Johannes Brahms. Nach vollbrachter Tat meinte mein damaliger, sehr geschätzter Klavierlehrer Guido Heinke zu mir (in etwa, aus dem Gedächtnis, nach zwölfeinhalb Jahren):

Nun ja, es kommt musikalisch schon etwas rüber. Man merkt, Du bist Sänger; es atmet, Du gestaltest schöne Phrasen und Bögen. Aber es ist einfach zu viel falsch! Ich würde Dir jetzt empfehlen, über die Semesterferien mal richtig zu üben …


An diesen Ausspruch wurde ich gestern wieder einmal erinnert, als ich bei YouTube nach einer meiner Lieblingskompositionen für Orgel suchte: der Orgelsonate „Der 94. Psalm“ von Julius Reubke, der leider viel zu früh, im Alter von 23 Jahren verstarb. Und siehe da: Ich würde fündig!

Und eben der erste Treffer erinnerte mich stark an den Ausspruch meines Klavierlehrers: Kiyo Watanabe spielt den dritten Satz der Orgelsonate. Und obwohl sicherlich der Anteil der falschen Töne wesentlich geringer ist als in meinem oben erwähnten Klavier-Vortragsabend, würde ich diese Interpretation als „Tastenpfusch“ einstufen, nicht zuletzt wegen der sehr leblosen Artikulation und Phrasierung:

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Ganz anders dagegen der zweite Treffer: Watanabes koreanischer Kollege Dong-ill Shin, der Gewinner des Orgelwettbewerbs von Chartre in der Kategorie Interpretation 2006, stellt hier eine sehr souveräne Interpretation des ersten Satzes der Reubkeschen Orgelsonate dar. Heiß wird das Stück etwa ab Minute 6:00!

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Leider ist die Audioqualität von YouTube der Königin der Instrumente in beiden Fällen nicht gewachsen! Daher die Frage an meine Leser: Kennt jemand eine wegweisende Einspielung des Werkes? Ich würde gerne mal wieder in eine schöne CD investieren. Außerdem habe ich demnächst Geburtstag …